…unerwartet zügig…

…ging es durch den Prater.

 

15.05.2020  Nach den letzten doch sehr schwülen Tagen, an denen selbst ich nur mehr in meiner Haustür saß und gehofft habe, dass es nun endlich regnen würde, war heute ein durchaus angenehmer Wandertag.

 

Ich möchte heute einmal einen Beitrag bringen, der leider keinen Eingang in mein Buch gefunden hat. Aber mir ist dieses Thema wichtig und vielleicht gelingt es ja bei der zweiten Auflage aber bis dahin einmal hier an dieser Stelle.

 

Herr Dr. Christoph Puelacher ist ein sehr engagierter Lungenfacharzt in Innsbruck mit sehr langer Erfahrung in der ambulanten Reha, und hat mir dies zum Thema Rehabilitation in Österreich geschrieben. Ich hoffe Ihr findet es genauso interessant wie ich.

 

Dr. Christoph Puelacher
Chefarzt der Reha-Innsbruck
Zentrum für ambulante Herz und Lungen Rehabilitation
Grabenweg 9
6020 Innsbruck

 

Wie funktioniert  pulmonale Rehabilitation  in Österreich?

 

Präambel :

Die pulmonale Rehabilitation befindet sich seit vielen Jahren in Österreich, in Bezug auf den gesamten medizinischen und sozialen Aufwand für Lungenerkrankungen, ungerechtfertigter Weise in einem eher unbedeutenden Zustand. Auch wenn in Zukunft neben den stationären Einrichtungen nunmehr in allen österreichischen Landeshauptstädten und in bevölkerungsreichen Gebieten ambulante Einrichtungen entstehen werden, bleibt der Zugang zur Lungenrehabilitation denkbar schwierig. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Zunächst ist der Informationsstand der Bevölkerung über die Wichtigkeit und medizinischen Notwendigkeit dieser nichtmedikamentösen Maßnahme sehr gering. Dazu kommt die Jahrzehnte lange Bevorzugung medikamentöser Therapien im österreichischen Gesundheitssystem. Medikamentöse Therapien konnten, dank der aufwändigen Forschung, enorm verbessert werden. So bewirken langwirksame Dosieraerosole eine wesentliche Verbesserung der Symptome insbesondere in der Nacht. Vergessen wurde dabei  allerdings die umfassende und fächerübergreifende medizinische  Behandlung, zumal die Betroffenen an bis zu 8 Nebenerkrankungen leiden. Beispielhaft darf ich hier nur den Muskel-  und Knochenschwund, die Verdauungsprobleme, das hohe Suchtpotenzial und nicht zuletzt die Antriebsschwäche, die in der neuesten medizinischen Literatur als Fatigue, als chronifizierte Müdigkeit, bezeichnet wird.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass viele ärztliche Kollegen in ihrer Ausbildung zwar internistische Rehabilitation bei Herzerkrankungen kennen gelernt haben, das Wissen über die hohe Wirksamkeit (Evidenzklasse I A) der Lungenrehabilitation sowohl in Krankenhäusern als auch bei niedergelassenen Ärzten ist erst in den letzten Jahren besser geworden.

 

Verbessertes Entlassungsmanagement in Krankenhäusern, Case Manager bei Sozialversicherungen und REHAkoordinatoren, aber auch erstarkte Selbsthilfegruppen  werden in Zukunft helfen, diese Schwachstellen möglichst umfassen in den Griff zu bekommen

 

Begriffsdefinition durch die WHO:  „Rehabilitation umfasst den koordinierten Einsatz medizinischer, sozialer, beruflicher, pädagogischer und technischer Maßnahmen sowie Einflussnahmen auf das physische und soziale Umfeld zur Funktionsverbesserung zum Erreichen einer größtmöglichen Eigenaktivität zur weitestgehenden Partizipation in allen Lebensbereichen, damit der Betroffene in seiner Lebensgestaltung so frei wie möglich wird.“

 

Die Rehabilitation wird in 4 Phasen (I-IV) eingeteilt. In der Folge werden diese kurz beschrieben.

Phase I Rehabilitation bezeichnet die Frührehabilitation im Krankenhaus. Diese werden derzeit noch  nicht an allen pneumologischen oder internistischen Abteilungen angeboten. Phase I Rehabilitation beinhaltet alle nichtmedikamentösen Maßnahmen wie physikalische Einzeltherapien im Sinne von Frühmobilisation am Krankenbett, Sekretmobilisation, Atemtherapie, Kräftigung der Skelettmuskulatur inklusive Atemmuskeltraining sowie umfassende Schulung im Gebrauch von inhalativen Medikamenten sowie Besprechung von Lebensstiländerungen. Erste Rehabilitationsziele werden gemeinsam formuliert.

 

Die Phase II Rehabilitation folgt nach dem Krankenhausaufenthalt oder nach einer rehabilitationsrelevanten Krankenbehandlung durch den niedergelassenen Arzt. Der behandelnde Arzt füllt einen Antrag auf Rehabilitation aus. Dieser muss durch den Chefarzt der zuständigen Sozialversicherung/Pensionsversicherung gesichtet und bei Notwendigkeit genehmigt werden.  Eine Phase II Rehabilitation kann stationär oder ambulant erfolgen. Die stationäre Rehabilitation findet in den auf Lungenerkrankungen spezialisierten Rehazentren statt. Sie dauert üblicherweise 3 Wochen und kann bei Bedarf verlängert werden.  Alternativ kann eine wohnortnahe ambulante Rehabilitation für 6 Wochen durchgeführt werden. Vorteile der ambulanten Rehabilitation sind die Notwendigkeit der Anwesenheit im Zentrum nur zu Zeiten der Therapien und  insbesondere die Möglichkeit zu Hause zu schlafen und im Kreise der Angehörigen das Erlernte bereits umzusetzen.  Diese Einrichtung sollte nicht weiter als 30 Minuten Fahrzeit entfernt sein.

 

Inhaltlich findet bei der Phase II Rehabilitation neben der Atemtherapie und dem Atemmuskeltraining die Verbesserung der Muskelausdauer und der Muskelkraft sowie der Sensomotorik (Koordination) statt. Dies ist in soferne wichtig, zumal körperliches Training gemäß der medizinischen Trainingslehre einen antientzündlichen und damit schützenden Effekt für den Körper und die Lungen hat.

Neben dem körperlichen Training beinhaltet diese Phase wiederum die Schulung der richtigen Medikamenteneinnahme  und die Schulung in Krankheitslehre, Lebensstilfragen, angepasster  Ernährung und Regenerationstechniken. Zusätzlich werden soziale und berufliche Probleme angesprochen und  betreut und nach Möglichkeit gelöst. Selbstredend werden Strategien zur Raucherentwöhnung angeboten.

 

Die Phase III Rehabilitation besteht nur ambulant und schließt an eine Phase II Rehabilitation an. Diese dauert zwischen 3 und 9 Monaten.  Sie findet 2 mal wöchentlich für zumindest 75 Minuten statt und dient dazu, die Lebensstiländerung nachhaltig umzusetzen und den Umbau der Muskulatur und der Gelenke sowie aller Organsysteme soweit zu verbessern, dass in der Folge eine nachhaltige Gesundheit aufgebaut werden kann. Eine nationale Multizenterstudie aus Österreich konnte zeigen, dass jene Rehabilitanden, die zusätzlich zur Phase II eine Phase III Rehabilitation absolvierten, eine signifikant bessere Leistungsfähigkeit erreicht hatten.

Inhaltlich steht wiederum der körperlich-muskuläre Aufbau (Schutzfunktion) im Vordergrund aber auch die Schulung und Vertiefung des Erlernten (Atemtherapie, Lebensstil, Regeneration, Erlernen und Verbessern der Aktivitäten des täglichen Lebens), sowie Lösung von sozialen und beruflichen Belastungen.

 

Die Phase IV Rehabilitation bedeutet  lebenslange, eigenverantwortliche Weiterführung des in Phase II und III erlernten Verhaltens. Noch gibt es in Österreich, im Gegensatz zu den sogenannten Herzsportgruppen, wenige Lungensportgruppen, die Tendenz ist allerdings steigend.

 

Zusammenfassend soll noch einmal auf eine funktionierende Rehabilitationskette eingegangen werden. Idealerweise beginnen bereits bei der Erstdiagnose  einer chronischen Lungenerkrankung rehabilitative Maßnahmen. Sinnvollerweise werden Betroffene bereits im Akutkrankenhaus rehabilitativen Maßnahmen unterzogen. Das Entlassungsmanagement oder ein Case-Manager kümmern sich um die Weiterleitung  in eine Akutrehabilitation (Phase II). Bei weiterem Rehabilitationspotential erfolgt die Langzeitrehabilitation (Phase III) für Lungenerkrankungen. Alle diese Maßnahmen, zusammen mit einem lebenslangen Phase IV Training, verhindern ein vorzeitiges Altern der Lungen und des Körpers und können damit Behinderung hintanhalten!

 

Ich hoffe, ich konnte Sie für die Notwendigkeit der frühen Rehabilitation bei chronischen Lungenkrankheiten infizieren und wünsche ihnen viel Erfolg und Gesundheit.

Stets, Ihr
Dr. Christoph Puelacher

 

Vielen herzlichen Danke an Herrn Dr. Puelacher ich musste heute während meiner Runde im Prater oft darüber nachdenken wie wir alle in Zeiten wie diesen, überhaupt trainieren sollten und können. Aber darüber vielleicht nächste Woche bis dahin eine schöne und aktive Woche.

 

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